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WU Data Science Projekt liefert Erkenntnisse zur Auswirkung von Emotionen auf die Kommunikation von Menschen und Social Bots

WU Data Science Projekt liefert Erkenntnisse zur Auswirkung von Emotionen auf die Kommunikation von Menschen und Social Bots

(Dienstag, 15.Januar 2019, 08:57 MEZ)

Eine von WU-Wissenschaftlern durchgeführte Studie, die im Februar 2019 erscheint und bereits vorab online veröffentlicht wurde, liefert neue Aufschlüsse darüber, wie sich verschiedene Arten von Ereignissen (polarisierende Ereignisse wie z.B. Wahlen, negative wie Kriegshandlungen oder erfreuliche wie Feiertage) auf die Emotionen und die Kommunikation der Nutzer von sozialen Medien auswirken.

Zusammenfassung



Abbildung 1: Ein Beispiel für die temporale Entwicklung von positiven (grün) und negativen (rot) Emotionen auf Twitter, Facebook und YouTube anlässlich der Ausschreitungen während des G20 Gipfels in Hamburg (July 2017)

In einem aktuellen Data Science Forschungsprojekt aus dem Kontext der rechnergestützten Sozialwissenschaft (engl.: computational social science) untersuchen Mag. Ema Kušen und Prof. Mark Strembeck vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien welche Emotionen verschiedene Arten von Ereignissen auslösen und wie sich diese Emotionen auf die Kommunikation in sozialen Medien (wie z.B. Facebook, Twitter oder YouTube) auswirken. Dabei wird auch untersucht wie sich die Kommunikation menschlicher Nutzer von sogenannten "Social Bots" (automatisierten Software-Programmen) unterscheidet.

Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt hierbei auf der Frage wie sich positive, negative sowie polarisierende Ereignisse auf die Kommunikation in sozialen Medien auswirken. Aktuelle Ergebnisse zeigen unter anderem: 1) dass Nachrichten, die starke Emotionen transportieren, signifikant häufiger weiterverbreitet werden als neutrale Nachrichten [KS2018d], 2) dass Menschen auch mit Bezug auf negative Ereignisse eine erstaunlich große Anzahl an positiven Nachrichten versenden [KSC2019 , KSCC2017] und dass 3) "Social Bots" insbesondere bei polarisierenden Ereignissen (wie z.B. Wahlen) versuchen die Diskussion mit Hilfe emotionaler Botschaften zu beeinflussen [KS2018e].

Kontext



Abbildung 2: Ausschnitt des Twitter-Kommunikationsnetzwerks zur österreichischen Präsidentenwahl 2016

Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass Emotionen signifikante Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten von Menschen haben. Entsprechende Studien aus den Bereichen der Psychologie und Soziologie haben sich traditionell insbesondere auf verhältnismäßig kleine Gruppen von einigen hundert Personen bezogen. Mit der Verfügbarkeit von Kommunikationsdaten aus sogenannten "Online Social Networks", die im Jahr 2019 mehrere hundert Millionen Nutzer (z.B. Twitter) bis zu mehreren Milliarden Nutzern (z.B. Facebook) miteinander verbinden, ergeben sich zuvor nie da gewesene Möglichkeiten zur Erforschung des menschlichen Kommunikationsverhaltens. Das Ziel des Forschungsprojektes ist insbesondere die Untersuchung der Auswirkungen von Emotionen auf das Kommunikationsverhalten in sozialen Netzwerken. Darunter fallen sowohl der Gebrauch als auch der (un)absichtliche Missbrauch von sozialen Medien, z.B. zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung.

Da soziale Medien einen massiven Einfluss auf die öffentliche Diskussion und Wahrnehmung in nahezu allen Lebensbereichen haben, wird zudem betrachtet wie sich die Kommunikation menschlicher Benutzer diesbezüglich von sogenannten "Social Bots" unterscheidet. Social Bots sind automatisierte Software-Programme, die selbstständig und proaktiv mit menschlichen Benutzern (oder anderen Social Bots) kommunizieren können [KS2018a, KS2018b, KS2018e]. Die zusätzliche Betrachtung von Social Bots ist interessant, da bereits mehrere wissenschaftliche Studien den Einfluss solcher Software-Programme auf öffentliche Diskussionen und politische Prozesse nachgewiesen haben (wie z.B. die amerikanische Präsidentenwahl 2016 oder das sogenannte "Brexit" Referendum in Grossbritannien).

Vorgehen



Abbildung 3: Vorgehen zur Gewinnung und Analyse der Daten

Zunächst wurden mit Hilfe der öffentlichen Programmierschnittstellen, die von Facebook, Twitter und YouTube zur Verfügung gestellt werden, systematisch verschiedene Datensätze gesammelt. Die Sammlung der Daten umfasste Ereignisse, die vornehmlich als positiv wahrgenommen wurden (wie z.B. Feiertage oder Geburtstag eines Prominenten), als auch solche, die mehrheitlich als negativ wahrgenommen wurden (wie z.B. Terroranschläge oder Kriegshandlungen) und solche, die polarisierend wirken (wie z.B. Wahlen). Anschliessend wurden die Daten in anonymisierter Form analysiert.

Die Analysen umfassen sowohl strukturelle Netzwerkanalysen, als auch temporale Analysen der Auswirkungen von verschiedenen Emotionen: Abscheu, Furcht, Traurigkeit, Wut, sowie Erwartung, Freude, Vertrauen und Überraschung, [KCFCS2017]. Unter der Führung von WU-Wissenschaftlern wurden die Analysen in einem interdisziplinären Forschungsteam aus Wirtschaftsinformatikern, Mathematikern und Psychologen durchgeführt.

Aktuelle Ergebnisse



Abbildung 4: Detaillierte Betrachtung der Intensität verschiedener Emotionen im Kontext von positiven, negativen sowie polarisierenden Ereignissen

Im Zuge der Analysen wurde u.a. die Existenz der sogenannten "Undoing Hypothesis" in sozialen Medien nachgewiesen [KSC2019 , KSCC2017]. Die Undoing Hypothesis stammt aus dem Bereich der psychologischen Forschung und besagt, dass bei negativen Ereignissen (wie z.B. Terroranschlägen, Kriegshandlungen oder Naturkatastrophen) dennoch in signifikantem Ausmass positive Emotionen auftreten. Der Grund hierfür ist der Versuch positive Emotionen gewissermaßen als "Gegenmittel" gegen negative Emotionen einzusetzen. Durch die beiden aktuellen WU Studien [KSC2019 , KSCC2017] wurde zum ersten mal im großen Maßstab die Existenz der Undoing Hypothesis in sozialen Medien nachgewiesen.

In einer detaillierten Analyse der Twitter-Diskussion zur österreichischen Präsidentenwahl im Jahr 2016 [KS2018c , KS2017], wurde u.a. gezeigt, dass 1) der Gewinner der Wahl (Alexander Van der Bellen) hauptsächlich neutrale Nachrichten verschickt hat, während sein Mitbewerber (Norbert Hofer) hauptsächlich emotionale Nachrichten verschickt hat, 2) sich negative Nachrichten über beide Kandidaten über einen längeren Zeitraum verbreitet haben als neutrale, 3) es eine deutliche Polarisierung bezüglich der Emotionen gab, die Anhänger der beiden Kandidaten über Twitter verbreitet haben, 4) die Anhänger des Kandidaten Van der Bellen erheblich zur (unabsichtlichen) Verbreitung von Falschinformationen über Van der Bellen beigetragen haben.

Eine Analyse der Social Media Diskussionen zu den gewalttätigen Ausschreitungen während des G20 Gipfels 2017 in Hamburg [KS2018d], hat ergeben, dass in allen drei untersuchten Social Media Plattformen (Facebook, Twitter, YouTube): 1) Nachrichten, die die lokale Polizei erwähnen, hauptsächlich negative Emotionen beinhalten (insbesondere Wut und Furcht), diese negativen Emotionen aber nicht notwendigerweise gegen die Polizei gerichtet sind und 2) Nachrichten, die starke Emotionen transportieren signifikant häufiger weiterverbreitet wurden als neutrale Nachrichten.

In einer Studie, die Social Media Nachrichten zu 24 systematisch ausgewählten Realwelt-Ereignissen umfasst [KS2018e], wurde gezeigt dass 1) Social Bots bei kontrovers diskutierten Ereignissen (wie z.B. Wahlen) insbesondere emotional polarisierende Nachrichten verschicken und damit versuchen die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Hierbei konnte auch gezeigt werden, dass Social Bots zu diesem Zweck sogar polarisierende (z.B. auf eine Wahl bezogene) Nachrichten in thematisch fremde Diskussionen einstreuen (z.B. in Social Media Diskussionen zum Erntedankfest/Thanksgiving), 2) menschliche Benutzer generell eher der Grundstimmung einer Diskussion folgen, während Social Bots versuchen die Stimmung durch entgegengesetzte Emotionen (engl.: shifted emotions) zu drehen, 3) Social Bots durch die Verbreitung von "Shifted Emotions" versuchen Aufmerksamkeit zu erregen (z.B. in Form von "Likes" oder "Retweets").

In einem Folgeprojekt analysieren Ema Kušen und Mark Strembeck derzeit wie sich Emotionen strukturell auf die Kommunikation in sozialen Medien auswirken. Dies umfasst insbesondere die Identifikation sogenannter "Network Motifs". Network Motifs sind statistisch signifikante Kommunikationsmuster, d.h. Muster, die nicht zufällig auftreten. Ein wichtiger Aspekt ist auch hierbei wieder die Analyse von menschlichen Kommunikationsmustern im Vergleich zu Social Bots. Erste Zwischenergebnisse konnten bereits im August und im Oktober 2018 veröffentlicht werden [KS2018a, KS2018b].

Weiterführende Literatur:

  • [KSC2019] E. Kušen, M. Strembeck, M. Conti: Emotional Valence Shifts and User Behavior on Twitter, Facebook, and YouTube, In: Influence and Behavior Analysis in Social Networks and Social Media, Lecture Notes in Social Networks (LNSN), Springer, February 2019

  • [KS2018a] E. Kušen, M. Strembeck: Investigation of Emotion Exchange Motifs in Bot/Human Interactions during Riot Events, In: Proc. of the 5th International Conference on Social Networks Analysis, Management and Security (SNAMS), IEEE, Valencia, Spain, October 2018

  • [KS2018b] E. Kušen, M. Strembeck: On Message Exchange Motifs Emerging During Human/Bot Interactions in Multilayer Networks: The Case of Two Riot Events, International Workshop on Social Human Behavior Analysis through Online Social Networks and Media (SAO), In: Proc. of the 10th IEEE/ACM International Conference on Advances in Social Networks Analysis and Mining (ASONAM), Barcelona, Spain, August 2018

  • [KS2018c] E. Kušen, M. Strembeck: Politics, Sentiments, and Misinformation: An Analysis of the Twitter Discussion on the 2016 Austrian Presidential Elections, In: Online Social Networks and Media (OSNEM), Vol. 5, March 2018

  • [KS2018d] E. Kušen, M. Strembeck: On the Public Perception of Police Forces in Riot Events -- The Role of Emotions in Three Major Social Networks During the 2017 G20 Riots, In: Proc. of the 3rd International Conference on Complexity, Future Information Systems and Risk (COMPLEXIS), Funchal, Madeira, Portugal, March 2018

  • [KS2018e] E. Kušen, M. Strembeck: Why so Emotional? An Analysis of Emotional Bot-generated Content on Twitter, In: Proc. of the 3rd International Conference on Complexity, Future Information Systems and Risk (COMPLEXIS), Funchal, Madeira, Portugal, March 2018

  • [KCFCS2017] E. Kušen, G. Cascavilla, K. Figl, M. Conti, M. Strembeck: Identifying Emotions in Social Media: Comparison of Word-emotion lexicons, In: Proc. of the 4th International Symposium on Social Networks Analysis, Management and Security(SNAMS), IEEE, Prague, Czech Republic, August 2017

  • [KSCC2017] E. Kušen, M. Strembeck, G. Cascavilla, M. Conti: On the Influence of Emotional Valence Shifts on the Spread of Information in Social Networks, In: Proc. of the 9th IEEE/ACM International Conference on Advances in Social Networks Analysis and Mining (ASONAM), Sydney, Australia, July/August 2017

  • [KS2017] E. Kušen, M. Strembeck: An Analysis of the Twitter Discussion on the 2016 Austrian Presidential Elections, In: The Computing Research Repository (CoRR), arXiv:1707.09939, July 2017

Kontakt:
Mark Strembeck
Ema Kušen